Meine Jobbeschreibung: Menschen den Tag zu versüssen

Es war Anfang der siebziger Jahre, als der frisch gebackene Konditormeister Klaus-Otto Vogel und seine Frau Helga aus Heidelberg aufbrachen, um den idealen Standort für ihre Konditorei zu suchen. Die Meisterprüfung in der Tasche und den Kopf voller Ideen, kurvten sie durchs ganze Land. Als sie das Lahntal und das Städtchen Braunfels mit seinem märchenhaft anmutenden Schloss erblickten, brachte Klaus-Otto den Wagen abrupt zum Stehen. Das umtriebige, junge Paar hatte sich  schockverliebt. Und diese Liebe vertiefte sich noch, als sie den Kurpark mit seiner Kastanienallee, den süßen Altstadtkern und den traumhaften Blick in die von grünen Wäldern geprägte Umgebung entdeckten. Genau hier, und nirgendwo sonst, sollte ihre Konditorei Vogel eröffnen!

Klaus-Otto und Helga hatten den richtigen Riecher, und der Erfolg sollte ihnen Recht geben: Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich ihre süße Backstube in dem denkmalgeschützten Haus in der Altstadt zur Top-Adresse für Genießer. Den Grundstein für den bis heute anhaltenden guten Ruf legten ihre unbedingte Liebe zum Handwerk und der stabile, perfekt gebackene Biskuit. Und kluges Marketing.

Schon Klaus-Otto Vogel hatte dafür ein Händchen: So ließ er seine Beziehungen zu Kolonialwarenhändlern und ins ferne Heidelberg spielen und verzierte seine kleinen Kunstwerke mit bis dato in Braunfels unbekannten exotischen Früchten, zum Beispiel Kiwis. Kein Wunder, dass die Konditorei im Handumdrehen zum Stadtgespräch wurde!
Heute, gut 50 Jahre später, ist die Konditorei weit über die Grenzen des Lahntals hinaus ein Begriff und ein erfolgreiches Familienunternehmen. In dritter Generation gehen Felix und Caroline Vogel ihren Eltern Andreas und Vera inzwischen zur Hand und bringen mit Unternehmergeist und Kreativität frischen Wind in das  Traditionsgeschäft.
„Ich hatte das Glück, nach dem Abitur fünf Jahre lang bei einem der besten Patissiers und Chocolatiers in Frankreich in die Lehre gehen zu dürfen,“ erzählt Felix Vogel. Damit meint er keinen Geringeren als Daniel Rebert, eine der Ikonen der Szene. Seit Jahrzehnten zählt dieser zu den Top-Adressen im elsässischen Wissembourg. Und ebenso wie die Vogels legt Monsieur Rebert höchsten Wert auf exzellente Zutaten und akribische Handarbeit. „Das war eine großartige Schule,“ erinnert sich der junge Konditormeister. „Hier konnte ich alles lernen, was man über Schokolade, Geschmack und Texturen wissen muss.“
Nach drei weiteren Jahren als Chefpatissier in München kehrte Felix Vogel mit Ende 20 zurück ins heimatliche Braunfels. Der großen Theke mit den kunstvoll verzierten Törtchen und Pralinen – dem Aushängeschild des Familienbetriebs – fügte er unter anderem pastellfarbene französische Macarons hinzu. Ein sofortiger Erfolg.
„Unser Antrieb ist es, kleine ästhetische Kunstwerke auf höchstem Niveau herzustellen,“ so Felix Vogel. „Was meinen Großvater, meinen Vater und mich verbindet ist, dass wir es als unsere Hauptaufgabe verstehen, Menschen den Tag zu versüßen. Deshalb lautet auch unser Credo ‚süße Begeisterung‘. Wenn beim Genuss unserer Törtchen und Pralinen ein Funke überspringt, dann haben wir alles richtig gemacht!“

Genau diese Hingabe spürt man, wenn Felix Vogel von seinem Beruf und von der Konditorei erzählt. Und er hat noch viel vor: „Neben dem Ladengeschäft besteht ein Großteil unserer Arbeit in individuellen Anfertigungen für Business-Kunden. Aus Unmengen von Schokolade stellen wir etwa 30 verschiedene Tafelschokoladen und 20 Sorten Pralinen und Trüffeln im Jahr her. Und natürlich sind auch unsere kunstvoll verzierten Hochzeitstorten ein Renner,“ sagt der Konditormeister nicht ohne Stolz.

Doch ein Blick hinter die Kulissen der Braunfelser Konditorei wäre unvollständig ohne das beliebte „Vogelfrühstück“, bei dem Einheimische glänzende Augen bekommen. Bei dem täglichen Schlemmertreff handelt es sich quasi um einen Selbstläufer, ohne Reservierung geht fast gar nichts. „Das liegt zum einen sicherlich an der riesigen Vielfalt an Brötchen und Broten,“ mutmaßt Felix Vogel. „Und das, obwohl wir ja eigentlich auch gar keine klassische Bäckerei sind. Aber speziell für das Frühstück stellen wir aus regionalem Mehl Champagnerbrot, Toskanakranz und feine Croissants her – ebenso wie einen sehr guten eigenen Sauerteig. Das ist die perfekte Basis für einen leckeren Start in den Tag.“
Ein weiteres Argument sind die 20-30 Sorten hausgemachter Konfitüren. „Da schmeckt man einfach, dass sie mit Liebe gemacht sind,“ so Vogel. Ein Blick in den Webshop, in dem die Köstlichkeiten ebenfalls erhältlich sind, lässt Genießern das Wasser im Mund zusammenlaufen: von Ananas-Whisky über Gentle Orange mit Gin, Kiwi-Vanille-Kardamom oder Pink Grapefruit bis hin zu Pfirsich-Champagner reicht die Palette.
Ein solch großes Rad zu drehen, das gelingt nur mit Hilfe der ganzen Familie: Neben den Eltern kümmert sich Felix‘ Schwester Carolin um Service und Verkauf. Und selbst Felix‘ Großeltern Klaus-Otto und Helga, die Gründer der Konditorei, sind zwar inzwischen pensioniert, packen aber noch immer tatkräftig mit an – ob es nun um den Einkauf oder ums Bügeln der zahlreichen Leintücher geht. Seine Frau Keiko bereichert den Braunfelser Traditionskonditor an der Schnittstelle zwischen Produktion
und Verkauf.

Befragt nach der Zukunft des Generationenbetriebs, zeigt sich Felix Vogel denn auch zuversichtlich. Wichtig sei neben der unbedingten Liebe zum Handwerk auch immer der Blick über den Tellerrand hinaus. So arbeitete er selbst ein Jahr lang in Japan, dem Heimatland seiner Frau, und reist auch weiterhin regelmäßig nach Fernost: „Als Grundlage für unseren Beruf benötigt man Fingerfertigkeit, Wissen und Leidenschaft. Diese Eigenschaften, gepaart mit moderner Technik, innovativen Vorgehensweisen und neuartigen Konzepten, die sind es, die uns in die ‚Champions League‘ der Konditoren katapultieren.“

Himbeer-Joghurt-Törtchen

Felix Vogel, hat uns das Rezept für einen echten Törtchen-Klassiker aus der Traditionskonditorei – in leicht abgewandelter Variante als Gläschen-Dessert – verraten. Das erfrischende Dessert eignet sich ideal als Nachspeise an einem warmen Frühlings- oder Sommertag.

Anja Kocherscheidt

Anja Kocherscheidt ist als freie Autorin und Fotografin mit Vorliebe in der Natur unterwegs – am liebsten per Rad, mit dem Kanu oder auf Schusters Rappen. Mit dem Lahntal verbindet sie seit ihrem Studium in Marburg eine lange und innige Liebe.