Braustube für die Kunst: das Rosenhang Museum in Weilburg
Kunst soll berühren und fesseln – und das nicht nur in elitären oder wohlbetuchten Kreisen, sondern ausdrücklich Jedermann. „Kunst für alle“ lautet denn auch folgerichtig das Credo in Weilburgs Rosenhang Museum, das aus einer Privatinitiative heraus 2017 auf dem Gelände einer ehemaligen Brauerei eröffnete. Kein Dresscode, keine Abstandskordeln, keine einschüchternde Stille, stattdessen hochkarätige Künstler von Banksy, Balkenhol und Baselitz bis Immendorff, Richter und Warhol.
Das Barockstädtchen Weilburg an der Lahn liegt mit seinen 14.000 Einwohnern beschaulich zwischen Taunus und Westerwald. Wer hierher ins Lahntal kommt, der tut es in der Regel wegen der idyllischen Natur, dem Schloss, als Radsportler oder als Kanufahrer. Und tatsächlich entdecken viele Besucher das Rosenhang Museum auch zunächst vom Wasser aus. Museumsleiterin Antje Helbig schmunzelt: „Es kommt immer wieder vor, dass Menschen zwei, drei Tage nach ihrer Rad- oder Paddeltour vorbeikommen, weil sie erfahren wollen, was es mit dem prägnanten, in Goldfarbe angestrichenen Haus und den abstrakten Skulpturen auf sich hat.“
Was sie entdecken, überrascht die meisten: Hinter der Fassade und in den ehemaligen Produktionsräumen der Brauerei August Helbig aus dem Jahr 1822 verbirgt sich eines der ungewöhnlichsten und zugleich spannendsten Häuser für zeitgenössische Kunst in Deutschland. Dabei ist jeder Raum anders, es gibt unverputzte Wände, Sichtachsen wo einst Türen waren, Spuren von ehemaligen Treppen, in einem Raum steht noch das Rollband für Bierflaschen – kurz: Man sieht den Räumen ihre Historie an. „Und das ist absolut gewollt,“ erklärt Helbig. „Denn die Brauerei war ein wichtiger Arbeitgeber hier in Weilburg, und viele Menschen fühlen sich bis heute eng mit ihr verbunden.“
Dass Antje Helbig und ihr Mann Joachim Legner einmal ein Museum eröffnen würden, lag nicht unbedingt auf der Hand. Eigentlich sind die beiden Zahlenmenschen, haben Betriebswirtschaft studiert und in der Immobilien- bzw. Brauereibranche gearbeitet. „Mein Mann und ich hatten ursprünglich mit der Kunstszene gar nichts zu tun,“ bestätigt Helbig, „auch wenn wir schon immer Kunst besaßen. Aber das waren eher alte, deprimierende ‚Schinken‘. Auf einer AIDA-Kreuzfahrt kamen wir dann aber in Kontakt mit Pop Art von James Rizzi, Udo Lindenberg oder Romero Britto – das war bunt, fröhlich, lebensbejahend und hat uns gepackt. Besonders meinen Mann hat das Sammlerfieber seither nicht mehr losgelassen.“
Irgendwann, so erinnert sich Antje Helbig, stapelte sich die Kunst bei ihnen zuhause. „Keiner konnte uns besuchen – es war einfach kein Platz mehr im Gästezimmer.“ Vielleicht war es da ja ein Wink des Schicksals, dass ein Gebäudeteil der Familienbrauerei, der Helbig in sechster Generation angehört, seit Jahren leer stand. „Doch ein Abriss wäre wahnsinnig teuer gewesen und hätte eine hässliche Brache hinterlassen,“ so Helbig. „Deswegen entschieden wir uns dazu, das historische Gemäuer zu restaurieren und zum Museum für unsere Kunst umzubauen.“
Helbig und Legner ließen sich bei der Gestaltung des Museums von einer Vision leiten: Die ehemalige Braufabrik sollte ihre Seele behalten und eine Symbiose mit der modernen Kunst eingehen. „Es war uns wichtig, dass die Hemmschwelle für alle Menschen so niedrig wie möglich liegt, denn wirklich jeder soll unsere Kunst genießen dürfen. Deshalb haben wir die Räume teilweise wie ein gemütliches Wohnzimmer eingerichtet, mit Perserteppichen und zu den ausgestellten Werken passender Musik,“ sagt Antje Helbig.
Der niedrigschwellige Ansatz zeigt sich manchmal auch in ganz pragmatischen Lösungen: Als die Glocken der koreanischen Künstlerin SEO, einer Meisterschülerin von Georg Baselitz, nicht durch die Tür der dafür vorgesehenen Räumlichkeit passten, wurde kurzerhand eine Wand eingerissen – und anschließend wieder aufgebaut.
Besonders faszinierend ist: Das Rosenhang Museum lebt. Ein Beispiel dafür ist das „Banksy Art Lab“, in dem alle Werke des für seine konsum- und kapitalismuskritischen Schablonengraffiti bekannten britischen Street Artists fotografiert und ausgestellt sind. „Sobald irgendwo auf der Welt ein neues Graffiti dazukommt, zu dem sich der Künstler offiziell bekennt, wächst auch unsere Sammlung weiter an. So sind wir hier stets auf dem Laufenden,“ so Helbig.
„Wichtig ist uns auch der persönliche Kontakt mit den Kunstschaffenden. Deshalb bieten wir regionalen Künstlern und Newcomern auch temporäre Atelierflächen zum Arbeiten an. Eine von ihnen ist die chinesische Künstlerin Jiny Lan, die 2023 mit ihrer Sonderausstellung „Himmelsfragen“ vier Monate in Weilburg zu sehen war. Für ihre Werke, die sich mit der Meinungsfreiheit in ihrer Heimat beschäftigen, erhielt sie zudem den eigens gestifteten „Löwe von Weilburg“, einen mit 60.000 Euro dotierten Kunstpreis.
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