Im Reich der Sporen und Lamellen
„So ein Pilz ist ein echtes Wunder,“ sagt Volker Walther. „Ohne ihn könnte kein Baum richtig wachsen, und unsere Wälder würden unter Laub und Nadeln versinken. Denn was viele nicht wissen: Für deren Abbau sind in erster Linie die Pilze verantwortlich.“ Der 56-Jährige mit dem sympathischen Lächeln ist Mykologe. So nennt man in der Fachwelt Menschen, die sich mit Pilzen richtig gut auskennen.Wir haben den Leiter des Pilzmuseums von Bad Laasphe getroffen und sind mit ihm eingetaucht ins Reich der Sporen und Lamellen.
Am wohlsten fühlt sich Volker Walther im Wald. Das spüren diejenigen, die gemeinsam mit ihm im Rothaargebirge eine Pilzwanderung unternehmen, sofort. Denn dann ist der gebürtig aus Südhessen stammende Pilzforscher in seinem Element. Jeder, der sich für die Natur und besonders für Pilze interessiert, ist bei den etwa zweistündigen Exkursionen willkommen. In den leicht sauren Böden rund um Bad Laasphe gedeihen – entsprechende Witterungsbedingungen vorausgesetzt – zahlreiche Arten, darunter Pfifferlinge, Steinpilze und Maronenröhrlinge gut.
„Die meisten kommen tatsächlich mit ihrem Körbchen und fragen mich nach den besten Stellen für diese Speisepilze“, erzählt Walther. „Aber die Welt der Pilze ist so viel größer!“ Laut der Deutschen Gesellschaft für Mykologie sind in Mitteleuropa über 10.000 Großpilze bekannt, die Dunkelziffer liegt deutlich höher. Weltweit geht man von weit über zwei Millionen Arten aus. Die Tatsache, dass die Mykologie noch solch ein weitestgehend unerforschtes Feld ist, fasziniert Volker Walther schon seit dem Biologie-Studium in Marburg.
Mit der Tätigkeit als Leiter des Bad Laaspher Pilzmuseums hat Walther 2001 seinen Traumjob gefunden. Deutschlands einziges Museum, das sich ausschließlich dieser Spezies widmet, befindet sich im Dachgeschoss im „Haus des Gastes“. Und natürlich beginnt der Experte mit den Basics: Was ist überhaupt ein Pilz?
„Ein Pilz – das ist in erster Linie das Fadengeflecht unter der Erde, in Stämmen oder anderen Substraten das wir in der Regel gar nicht wahrnehmen. Der Fruchtkörper, also der häufig sichtbare Teil des Pilzes, dient lediglich zur Vermehrung und kommt nur unter bestimmten Witterungsbedingungen zum Vorschein.“
Auch Fun Facts hat der studierte Mykologe auf Lager, um Besucher zum Staunen zu bringen: „Viele wissen nicht, dass man die Pilze lange Zeit dem Pflanzenreich zugeordnet hat. Aber das stimmt nicht. Im Aufbau und Stoffwechsel ähneln sie eher den Tieren als den Pflanzen, deshalb betrachtet man sie heute als eigenständige Schwestergruppe der Tiere.“
Mehr als 900 verschiedene Arten können Interessierte in der Dauerausstellung des Pilzmuseums betrachten – sie werden in einem aufwändigen, zwei bis drei Jahre dauernden Verfahren gefriergetrocknet und behalten dadurch Form und Farbe. Die meisten stammen aus der Umgebung von Bad Laasphe, aber auch einige „Exoten“ sind darunter. Auf Tafeln und in Vitrinen kann man mehr über ihre Lebensweise, die Fortpflanzung, den Artenschutz, aber auch über die Rolle von Pilzen in der Medizin, in der Religion oder ihren Einsatz in der Industrie lernen.
Besonders beliebt bei jüngeren Besuchern ist das Binokular, mit dem auch kleinste Details sichtbar werden. „Aber das Highlight ist unsere selbstgebaute Duftorgel,“ schmunzelt Volker Walther, drückt auf einen Knopf und ein erdiger Duft erfüllt den Raum. „Pilze verströmen ja ganz unterschiedliche Gerüche – und hier kann man versuchen, sie zu erraten.“
Ebenfalls ein Renner sind die dreitägigen Pilzseminare für Anfänger und Fortgeschrittene. „Ich würde hier schon fast von einem Boom sprechen,“ berichtet Walther. „Und das, obwohl es dabei nicht nur um Speisepilze geht.“
Auch ganz praktische Unterstützung bietet das Bad Laaspher Pilzmuseum an: Wer Pilze im Wald gefunden hat und sich nicht sicher ist, ob diese genießbar sind, kann sie während der Öffnungszeiten zur kostenlosen Bestimmung vorbeibringen. Das ist sinnvoll, denn viele Speisepilzarten haben gefährliche Doppelgänger.
Am meisten freut sich der Experte aber, wenn er selbst oder Wanderer seltene Exemplare finden, um die kostbare Sammlung erweitern. „Im vergangenen Jahr haben wir zum Beispiel einen Derben Korkstacheling, einen Gemeinen Klapperschwamm, ein Europäisches Goldblatt und eine Graugrüne Erdzunge gefunden.“ Besonders aufregend war jedoch der Fund eines Kleinsporigen Scheidlings, der damit möglicherweise zum ersten Mal überhaupt in Nordrhein-Westfalen nachgewiesen werden konnte.
Bei aller Begeisterung für die Welt der Pilze klammert Walther jedoch auch die Schattenseiten nicht aus: „Durch das Waldsterben und die Trockenheit der letzten Jahre bilden die unterschiedlichen Pilzarten immer weniger Fruchtkörper aus und vermehren sich dadurch nicht so gut.“
Einige der guten Speisepilze, auch Steinpilze und Pfifferlinge, stehen unter eingeschränktem Artenschutz. Maßvolles Sammeln sei okay, so der Pilzexperte: „Die Richtmenge liegt hier bei etwa einem Kilo für den Eigenbedarf. Und wenn ich den Pilz vorsichtig abschneide oder herausdrehe, so dass das Fadengeflecht im Boden nicht verletzt wird oder austrocknet, dann ist das für die Natur auch kein Problem. Vergleichbar ist das mit dem Apfelpflücken. Der Baum stirbt ja auch nicht davon, wenn ich einen Apfel pflücke.“