Der Mann für den richtigen Ton: Bruder Elmar ist Küster im Limburger Dom

Wie eine Krone thront der Limburger Dom über der Altstadt. Mit seinen sieben Türmen – mehr als jede andere Kirche in Deutschland – prägt er das Stadtbild und zieht Besucher von weither in seinen Bann. Bruder Elmar und sein Team sorgen dafür, dass hier alles rund läuft – und das nicht nur in technischer Hinsicht. Als Küster ist er so eine Art „Hans-Dampf-in-allen-Gassen“. Oberstes Ziel: Alle Besucher sollen sich im Dom willkommen fühlen und das Gotteshaus mit schönen Eindrücken verlassen.

Interessanterweise war der Weg nach Limburg für Elmar Moosbrugger, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, alles andere als vorgezeichnet. 1960 wurde er im vorarlbergischen Bezau geboren und absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Metzgermeister – eine Tätigkeit, die er 14 Jahre lang ausübte. Erst später verschlug es ihn in verschiedensten Ordensaufgaben nach England, Belgien, Ungarn, Israel und in die Niederlande. Seine zweite Heimat fand er dann zunächst in Rom.
„Das war schon eine fantastische Zeit,“ erinnert er sich. „Denn Rom ist natürlich eine Wahnsinnsstadt. Archäologische Touren in den Katakomben, kunstgeschichtliche Führungen im Petersdom – da blieben für einen Kunstinteressierten wie mich nur wenige Wünsche offen.“
„Aber der liebe Gott wollte es anders,“ so Bruder Elmar weiter. „Als 2014 ein Nachfolger für den Küster im Limburger Dom gesucht wurde, erhielt ich in Rom einen Anruf. Und da es sich gewissermaßen um eine Notsituation handelte und sich niemand für diesen wichtigen Dienst fand, sagte ich zu.“
Vielleicht war das ja eine Fügung, denn schon oft war Bruder Elmar zuvor auf der Autobahn an Limburg vorbeigefahren. „Und immer habe ich beim Anblick des Limburger Doms gedacht: Schade, dass ich heute so wenig Zeit habe, aber beim nächsten Mal halte ich an und schau ihn mir an!“

Heute ist Bruder Elmar die gute Seele im Limburger Dom, einem über 800 Jahre alten Meisterwerk aus der Übergangszeit zwischen Spätromanik und Frühgotik. Sein Tagesablauf folgt festen Routinen, bringt aber trotzdem jeden Tag Neues mit sich. „Als erstes sperre ich morgens auf,“ erklärt er mit sympathisch österreichischem Einschlag. „Dann stehen Kontrollgänge an – die technischen Geräte, Lichter, Mikrofone und Lautsprecher müssen eingeschaltet, die liturgischen Gegenstände gepflegt und viele weitere Dinge für die unterschiedlichen Feierlichkeiten vorbereitet werden.“
Manchmal, da sei er auch so eine Art Hausmeister, schmunzelt der Mittsechziger mit dem grauen Lockenschopf. „Dann inspiziere ich den Dachboden und unsere Glocken, einen Bereich zu dem die Öffentlichkeit aus Sicherheitsgründen keinen Zugang hat. Hier oben auf den Domtürmen werde ich mit einem einmaligen Blick über die Stadt Limburg belohnt.“
Die Glocken sind so etwas wie Bruder Elmars Steckenpferd. Insgesamt zehn hat der Limburger Dom, und jede davon erfüllt einen ganz eigenen Zweck: „Das ist eine kleine Wissenschaft für sich, und immer den richtigen Ton zu treffen ist gar nicht so einfach“, erklärt Bruder Elmar. „In der Sakristei befindet sich die elektronisch programmierbare Steuerung für die Glocken. Dieser Bereich zählt zu meinen spannendsten Aufgaben, denn nicht nur erfordert jeder Anlass unterschiedliche Glockenkombinationen, sondern es kommt auch auf ganz exaktes Timing an. Wenn beispielsweise sonntags im Hochamt bei der Wandlung geläutet wird, muss ich im Hintergrund genau das Stichwort für meinen Einsatz abpassen und den Startknopf drücken.“

Doch hinter den Limburger Domglocken verbirgt sich nicht nur Technik, sondern auch jede Menge Geschichte. Die mit Abstand größte und schwerste ist die Georgsglocke aus dem Jahr 1907. Sie erklingt zu besonders wichtigen Anlässen,  wie an Hochfesten oder etwa wenn Papst oder Bischof versterben. Bruder Elmar hat dazu eine interessante Anekdote: So sollten zum 50. Geburtstag von Adolf Hitler im Jahr 1939 auf Anweisung der Nationalsozialisten landesweit alle Glocken läuten. „Aber hier in Limburg gab es einen couragierten Mann, der sagte: ‚Auf keinen Fall die Georgsglocke!‘ Als er sich damit nicht durchsetzen konnte, drehte er kurzerhand die Sicherung raus und verhinderte damit, dass die heiligste unserer Glocken angeschlagen wurde.“
Und noch eine Geschichte zur Georgsglocke hat Bruder Elmar auf Lager: „Während des zweiten Weltkrieges mussten alle unsere Glocken abgeliefert werden – sie sollten eingeschmolzen werden, da die wertvollen Rohstoffe als Kriegsmaterial gebraucht wurden. Die Georgsglocke entging ihrem Schicksal jedoch auf wundersame Weise. Nach Kriegsende fand man sie unversehrt auf dem Glockenfriedhof in Hamburg. Das war natürlich ein riesiger Jubel, als sie in Limburg wieder einzog.“
Bruder Elmar hat ein Händchen für die Besucher des Domes, und wenn er davon erzählt, dann klingt es so, als könne er sich das selbst nicht so recht erklären: „Ich bin sehr dankbar für die vielen tollen Begegnungen. Manchmal sage ich nur zwei, drei Sätze zu Besuchern und bekomme dafür so viel zurück. Da ist man selbst der Beschenkte.“
Besonders beliebt sind laut dem Küster die einstündigen Domführungen durch die Domschwestern. „Da braucht es manchmal nur ganz wenige Fakten,“ so Bruder Elmar. „Die reiche Symbolik, die Architektur und die Farbgebung des Doms – das alles spricht für sich selbst.“ Und er wäre kein Mann Gottes, hätte er nicht auch einen passenden Bibelvergleich zur Hand: „Das ist wie bei Mose, der nur leicht an den Felsen klopfte und das Wasser floss von ganz allein.“

Anja Kocherscheidt

Anja Kocherscheidt ist als freie Autorin und Fotografin mit Vorliebe in der Natur unterwegs – am liebsten per Rad, mit dem Kanu oder auf Schusters Rappen. Mit dem Lahntal verbindet sie seit ihrem Studium in Marburg eine lange und innige Liebe.